9 mal 9 (mal zwei).

Kontraste gibt’s, die kaum größer sein könnten.

Staatsbad Bad Brückenau um 9 Uhr morgens:

Kurortstille, Morgennebel, Waldduft.

München-Ludwigsvorsstadt um 9 Uhr abends:

Wiesngetöse, Volksfestdunst, Zuckerkramgeruch.

Ein etwas abrupter Übergang, aber mei, das war einem ja bei der Abreise im August bereits bekannt, dass das so kommen würde, und man hätte an die eh schon üppigen 31 Reisetage jetzt wirklich nicht noch 10 weitere dranhängen können (von der Reiselust her schon, aber vom Budget her nicht).

Samma oiso wieda dahoam 😬🙃🍺

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Witzwort.

Seit Dienstagabend also auf Eiderstedt. Um die Ecke von Witzwort.

Kein Zufall, die Wahl dieser Region.
In meiner frühen Teenagerzeit verbrachte ich zweimal die Sommerferien in einem Ferienlager in St. Peter-Ording und habe von dieser Zeit tatsächlich noch mehr in Erinnerung behalten als die allabendliche Jugenddisco in der Turnhalle, den Kiosk mit den gelb-rosa-geringelten Schaumschlangen für 20 Pfennig das Stück und den blonden Timo, in den fast alle Mädchen aus der Gruppe zwei Sommer hintereinander verliebt waren.

Nämlich den tollen, riesigen Sandstrand von St. Peter-Ording. Oder Tönnig, Husum, Friedrichstadt und Heide.
Man wurde ja in den je dreiwöchigen Aufenthalten von den Gruppenleitern zu diversen Ausflügen kutschiert, damit man nicht nur in der Disco herumhopste, Zuckerschlagen futterte und sich den Kopf über diesen Timo zerbrach.

St. Peter-Ording hat sich, kaum war man mal 33 Jahre lang nicht mehr hier, fast schon zu einem zweiten Sylt gemausert. Alles aufgehübscht, nicht ganz so nobel wie auf Sylt, aber auch eher für den dickeren Geldbeutel, immerhin die Kuchenstücke noch unter Münchner Preisen (und weit unter den schwedischen sowieso).

Eh ein strategischer Vorteil: Nach über zwei Wochen in Schweden an die deutsche Nordsee fahren, das fühlt sich dann plötzlich alles so günstig an und man könnte glatt mal wieder entspannt in Restaurants gehen.
Tut man dann aber gar nicht, weil das Ferienhaus so gut ausgestattet und so gemütlich ist, dass man froh ist, nicht irgendwo anders sitzen zu müssen mit womöglich hässlichem Geschirr oder mittelmäßigem Essen oder unpassender Beleuchtung oder nervigen Menschen am Nebentisch.

Unser Quartier an der Nordsee…

…mit echten Fenstern (zum echten Öffnen und Lüften), ohne Klimaanlage und einem nicht überzuckerten, frischen Müsli.

Auch das Fräulein und die Gitti haben sich hier sehr schnell gut eingelebt.

Auf dem Grundstück nur ein Mitbewohner:

Meister Lampe hockt täglich vor der Tür…

…oder sprintet durch den Garten.

Dann noch sieben Nachbarn gegenüber:

Wollen Sie wissen, wie man so ein Foto schießt?

Ganz einfach: Platzieren Sie einen Dackel auf der anderen Seite des Weidezauns. Warten Sie 20 Sekunden. Drücken Sie ab.

Ansonsten: Wasser, Wind, Weite. Licht, Luft, Leere.

So kann man dem Motto dieses Blogs endlich mal wieder ausgiebig nachgehen.
Und tut es auch.

Ab und an mal ein Ausflug, das Dackeltier muss ja bewegt werden. Vor allem, wenn man wieder ins Schwimmbad möchte, denn ein müder Dackel verschläft den Schwimmbadbesuch ganz unkompliziert im Auto.

Nach einem langem Marsch auf Nordstrand zurück nach Husum, dort ins Schwimmbad. Absurde Öffnungszeiten (6-8 Uhr und 14-18 Uhr), 25m-Becken, modernisierter 70er-Jahre-Bau, da vermisst man Schweden dann wieder, aber es ist nicht fair, die Schwimmgelegenheiten in einer 20.000-Einwohner-Stadt wie Husum mit den Optionen in Stockholm oder Malmö zu vergleichen, also meckern wir nicht, sondern sind zufrieden, überhaupt im Wasser gewesen zu sein, außerdem hatten wir das Becken fast für uns alleine.

Danach ein Streifzug durch Husum, die „Stadt der kurzen Wege“, wie sie auch genannt wird, was uns nach Gassigehen und Schwimmen sehr entgegenkommt.
Einladende Cafés (sogar zum Verweilen 😉 ) mit leckerem Kuchen, warmes Septemberlicht lässt die Backsteinfassaden noch wärmer erstrahlen, Storm an allen Ecken und Enden: nicht nur seine Wohnhäuser gekennzeichnet, nein, auch das des Großvaters oder der Cousine oder der Patentante.

Trotzdem & nebenbei das innere Fazit: So ein Kleinstadtleben, das ginge gar nicht. Einsames Haus in den Bergen oder an der Küste vielleicht, womöglich auch Dorfleben (zumindest als Wochenendoption), aber eine Kleinstadt, das führte auch bei noch so schönen Fassaden und warmer Septembersonne direktemang in die Beklemmung, wenn nicht gar in die Depression (zumindest wenn man da erst jetzt, also in schon fortgeschrittenem Alter hinzöge).
Eine kleine, leise Vorfreude auf die Heimat blitzt erstmals wieder auf, bislang nicht viel an „daheim“ gedacht, vor lauter Genießen des Unterwegsseins und all der neuen Eindrücke.

Kurz vor der Rückkehr zum Parkplatz noch hier vorbeigekommen:

Der Husumer Zweitwohnsitz von Miss Langstrumpf.

Ein Gefühl wie: Der Kreis schließt sich.
Aber ein paar Runden drehen wir noch. Bleiben Sie also dran!

Rauke und Rabauke.

Helgumannen. Fischerdorf auf Fårö.

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Ohne Wecker in den Tag gestartet, Morgenstrandlauf mit Kormorangeplärr, drei Highlights von Fårö besichtigt, bereits unterwegs viel Schönes gesehen, endlich wieder ein Tag ganz im eigenen Rhythmus und ohne viel Gesellschaft, tolles Spätsommerwetter, viele Fotos für die Reportage gemacht, Objektivkappe irgendwo am Strand verloren, eine dünne Mütze gegen die permanenten Haarverwehungen erstanden, für schwedische Verhältnisse passabel gegessen, überall wenig bis gar nichts los, gutes Gespräch mit einem Paar aus der Schweiz, ärgerliche Unterredung mit einer Bedienung im Abendlokal, eine Ladung Wäsche waschen können und im Inselwind getrocknet, auf der Gartenbank sitzend den morgigen Tag geplant, dem Dackelfräulein beim Mit-einem-kaputten-Fußball-durch-das-Gelände-Sausen zugeschaut.
Große Ruhe und Zufriedenheit halten Einzug. Erst war ich reif für die Insel und nun ist die Insel reif für mich.

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Es ist eine karge, raue Natur auf Fårö. An der westlichen Küste blenden einen der Kalkstein und die turmhohen Raukar, an der östlichen Sudersands kilometerlanger, weißer Sandstrand. Im Inselinneren ducken sich Wacholderbüsche in den steinigen, teils hügeligen Boden und spenden auch keinen nennenswerten Schatten.

Das Wettergegerbte und Reduzierte wirft einen ganz aufs Wesentliche zurück: Gehen, Atmen, Schauen, Innehalten.
Das Bullerbü-Schweden Skånes ist sehr weit weg. Die Häuschen tendieren farblich zu ocker bis graubraun, nur selten mal ein rot-weißes oder weiß-blaues. Dazwischen alte Windmühlen auf vertrockneten Wiesen mit vertrockneten Schafskötteln. Überall die typisch gotländischen Steinmauern, von Hand aufgeschichtet und nahezu unverwüstlich, limestone – all over Gotland, und diese altertümlichen Holzzäune, ebenfalls inselweit zu sehen.

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Wanderung zu den Raukar bei Langhammars an der Westküste.

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Die Fauna hält sich auch eher zurück. Man sieht überwiegend Schafe, Pferde, Vögel und Kaninchen. An den sonnenbeschienenen Hauswänden krabbeln zahlreiche Körkmackar, wie auch immer die auf deutsch heißen. Mir sagte man nur: das sei jetzt die Zeit, in der sie sich auf den Weg in die Häuser machen. Was ich bestätigen kann, denn auch bei mir logieren ca. 30 Körkmackar, eher mehr. Seltsamerweise stören sie mich nicht, wahrscheinlich weil sie nicht surren, nicht stechen, nicht schmutzen, nicht gruselig aussehen, beim Krabbeln keine klackernden Geräusche machen und des nachts scheinen sie genau wie das Fräulein und ich tief und fest zu schlafen.

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Was für ein Etikett! (Vom übrigen Lokalbesuch soll lieber nicht die Rede sein.)