9 mal 9 (mal zwei).

Kontraste gibt’s, die kaum größer sein könnten.

Staatsbad Bad Brückenau um 9 Uhr morgens:

Kurortstille, Morgennebel, Waldduft.

München-Ludwigsvorsstadt um 9 Uhr abends:

Wiesngetöse, Volksfestdunst, Zuckerkramgeruch.

Ein etwas abrupter Übergang, aber mei, das war einem ja bei der Abreise im August bereits bekannt, dass das so kommen würde, und man hätte an die eh schon üppigen 31 Reisetage jetzt wirklich nicht noch 10 weitere dranhängen können (von der Reiselust her schon, aber vom Budget her nicht).

Samma oiso wieda dahoam 😬🙃🍺

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Last exit: Staatsbad B.B.

Letzter Reisetag.
Erster Regentag.

Nach kurzem Morgendisput an der Hotelrezeption (Thema 1 „Ich bezahle den Hundeaufpreis nur für Tage, an denen der Zimmerservice auch putzenderweise im Zimmer war und nicht nur kurz den Mülleimer geleert hat“, dicht gefolgt von Thema 2 „Wie um alles in der Welt kommen die 4 Sterne in dieser Bude zustande: Weil es einen Kosmetikspiegel mit Beleuchtung gab, die auch nachts nicht auszuschalten war oder weil ein schmales Fenster über der Balkontür mit einem verdreckten Fliegengitter verkleidet war, das einem dankenswerterweise die Mückenschwaden der im Park gelegenen Teiche vom Leib hielt?“ – überhaupt wäre das eine eigene Recherche/Abhandlung wert: wie kommen diese Hotel-Sterne eigentlich zustande, mit denen ja stets ein gewisses Preisniveau, aber grundsätzlich kein einheitliches Qualitätsniveau verbunden ist?) das Auto beladen und abgereist.

Mittlerweile flutscht der Ablauf (Einpacken, Einladen, Ausladen, Auspacken), wir könnten jetzt glatt noch ein paar Wochen mit unseren Kisten on tour sein (mittlerweile bin ich in der Lage, blind in die großen Boxen hineinzugreifen und zielsicher die Hundefuttergabel, den Kacktütenspender, die Fusselrolle oder das Stoffsäckchen mit den vielen Ladekabeln drin herauszufischen).

Im Regen ist die trostlose, baustellenreiche A7 gleich noch scheußlicher. Einmal auf die Landstraße ausgewichen, bei Hildesheim. Auch alles trostlos dort. Lenggries, Murnau oder Tutzing sind auch bei Regen noch ganz schön, Walsrode, Hodenhagen und Fallingbostel sind das nicht.
Augen zu und durch.

Immerhin pausierte der Regen freundlicherweise immer genau dann, wenn wir das Auto verließen, obwohl das bei einem der Stopps gar nicht nötig gewesen wäre. Denn wenn man in Northeim (südliches Niedersachsen) aussteigt, um sich freiwillig eine Stunde im Schwimmbad nass zu machen, ist es ja wurscht, ob’s draußen regnet oder nicht. Im Gegenteil: schlechtes Wetter ist bei diesem Vorhaben sogar ausnahmsweise besser als Sonnenschein, denn das Dackelfräulein wartet ja derweil im Auto und bei grauem Himmel und 15 Grad kann man sich wenigstens die Suche nach dem ultimativ schattigsten Parkplatz sparen.

Sollte es Sie je nach Northeim verschlagen, was ich Ihnen an sich wirklich nicht wünsche, aber es könnte ja passieren (Reifenpanne, Durchreise, Tagung, Hundedurchfall, Gebrauchtwagenkauf, Reha, Begräbnis eines entfernten Verwandten), dann empfehle ich Ihnen wärmstens einen Besuch im örtlichen Schwimmbad.

Das traut man diesem öden Städtchen echt nicht zu, dass sich in seiner Mitte eine solch veritable Sportstätte für Kraulquappen verbirgt: für nur 3,50€ Eintritt finden Sie dort eine blitzsaubere Anlage, super funktionierende Duschen, ordentliche Umkleiden und ein großes 50-Meter-Becken vor.

Vor drei Jahren war ich schon mal dort, damals von meinem Quartier im Burghotel Hardenberg aus, deshalb musste ich da nicht lange herumsuchen: Northeim lag genau in der Mitte der heutigen Tagesetappe, also ideal für eine Schwimm- und Gassipause.

Das Gassi dann natürlich nicht in der Ödnis Northeims, sondern in Nörten-Hardenberg absolviert: Vom Burghotelparkplatz aus (Gedenkminute: dort begann vor drei Jahren eine Freundschaft, bemerkenswerterweise nachdem am Tag zuvor eine andere geendet hatte, was ich allerdings erst einige Wochen später realisierte) auf dem Mühlbachwanderweg hinauf zur Burgruine und auf der anderen Seite des „Berges“ wieder hinunter.

Danach auf Kaffee und Kuchen (dem voraussichtlich letzten dieser recht kuchenreichen Reise) ins Hotel und auch dort nochmal eine Gedenkminute eingelegt: Sie müssen wissen, dass just in diesem Haus schon mehrfach Mr. Springsteen logiert hat, nämlich immer, wenn das Fräulein Tochter hier am berühmten Hardenberger Reitturnier teilgenommen hat.

Aber auch ohne die Aura vergangener Boss-Besuche ist es ein Ort mit viel Atmosphäre und Ambiente: Wenn man da so sitzt in den Ohrensesseln, spürt man sofort eine wohlige Ruhe, die sich wie eine weiche Decke um einen legt. So eine Mischung aus altem Schlossgemäuer und gediegener Jagdstube, manches Interieur nicht ernsthaft mein Geschmack, aber in sich stimmig und durchaus geschmackvoll. Auch die Schatulle mit der Wildsau-Intarsie, in der der Gast die wirklich nicht überteuerte Rechnung fürs Nachmittagsgedeck vorfindet, gefällt mir.

Dieses Hotel würde ich Ihnen noch viel wärmer empfehlen als das Schwimmbad in Northeim, wenn es nicht so sündteuer wäre – ich hatte damals eine Sonderpreisaktion erwischt, aber selbst die war schon saftig (als Fan wollte ich aber unbedingt dort Station machen).
Dennoch (vielleicht erben Sie ja was oder gewinnen mal im Lotto): in dem Haus stimmt einfach alles und es schwirrt auch kein neureiches Volk herum, zumindest außerhalb der großen Reit-Events nicht. Extrem hundefreundlich geht’s dort obendrein zu – bis aufs SPA darf der Hund wirklich überall hin mit!

Nach dieser für Körper und Seele sehr erholsamen vierstündigen Pause von der A7 geht’s nochmal für zwei Stunden zurück auf selbige und ein weiteres Stück gen Süden.

Am Rande der Rhön dann raus, Ausfahrt Bad Brückenau-Wildflecken, dann dem Regenbogen folgend weiter zum Staatsbad Bad Brückenau, einem verschlafenen, aus der Zeit gefallenen Kurörtchen im gefühlten Nirgendwo (der Ex-Ehemann wohnt im eine Nebelschwade entfernten Bad Kissingen, daher kennt man die Gegend noch von früheren Besuchen ganz gut).
Schöne Wälder und Spazierwege, Unterkunft in einer kruscheligen, kleinen Villa, wo ich schon mal Station machte auf einer Rückreise aus dem hohen Norden.

Morgen dann auf der Stammstrecke aus Studentenzeiten die letzten 300km heimwärts. Abgesehen von der Wiesn, die vor unserer Tür wütet und von der Steuererklärung 2018 und einiger anderer Ekligkeiten, deren Erledigung mich erwartet, freu ich mich nun sehr auf daheim.

Ihnen eine gute Nacht & wir hören uns in Kürze aus München wieder!

Witzwort.

Seit Dienstagabend also auf Eiderstedt. Um die Ecke von Witzwort.

Kein Zufall, die Wahl dieser Region.
In meiner frühen Teenagerzeit verbrachte ich zweimal die Sommerferien in einem Ferienlager in St. Peter-Ording und habe von dieser Zeit tatsächlich noch mehr in Erinnerung behalten als die allabendliche Jugenddisco in der Turnhalle, den Kiosk mit den gelb-rosa-geringelten Schaumschlangen für 20 Pfennig das Stück und den blonden Timo, in den fast alle Mädchen aus der Gruppe zwei Sommer hintereinander verliebt waren.

Nämlich den tollen, riesigen Sandstrand von St. Peter-Ording. Oder Tönnig, Husum, Friedrichstadt und Heide.
Man wurde ja in den je dreiwöchigen Aufenthalten von den Gruppenleitern zu diversen Ausflügen kutschiert, damit man nicht nur in der Disco herumhopste, Zuckerschlagen futterte und sich den Kopf über diesen Timo zerbrach.

St. Peter-Ording hat sich, kaum war man mal 33 Jahre lang nicht mehr hier, fast schon zu einem zweiten Sylt gemausert. Alles aufgehübscht, nicht ganz so nobel wie auf Sylt, aber auch eher für den dickeren Geldbeutel, immerhin die Kuchenstücke noch unter Münchner Preisen (und weit unter den schwedischen sowieso).

Eh ein strategischer Vorteil: Nach über zwei Wochen in Schweden an die deutsche Nordsee fahren, das fühlt sich dann plötzlich alles so günstig an und man könnte glatt mal wieder entspannt in Restaurants gehen.
Tut man dann aber gar nicht, weil das Ferienhaus so gut ausgestattet und so gemütlich ist, dass man froh ist, nicht irgendwo anders sitzen zu müssen mit womöglich hässlichem Geschirr oder mittelmäßigem Essen oder unpassender Beleuchtung oder nervigen Menschen am Nebentisch.

Unser Quartier an der Nordsee…

…mit echten Fenstern (zum echten Öffnen und Lüften), ohne Klimaanlage und einem nicht überzuckerten, frischen Müsli.

Auch das Fräulein und die Gitti haben sich hier sehr schnell gut eingelebt.

Auf dem Grundstück nur ein Mitbewohner:

Meister Lampe hockt täglich vor der Tür…

…oder sprintet durch den Garten.

Dann noch sieben Nachbarn gegenüber:

Wollen Sie wissen, wie man so ein Foto schießt?

Ganz einfach: Platzieren Sie einen Dackel auf der anderen Seite des Weidezauns. Warten Sie 20 Sekunden. Drücken Sie ab.

Ansonsten: Wasser, Wind, Weite. Licht, Luft, Leere.

So kann man dem Motto dieses Blogs endlich mal wieder ausgiebig nachgehen.
Und tut es auch.

Ab und an mal ein Ausflug, das Dackeltier muss ja bewegt werden. Vor allem, wenn man wieder ins Schwimmbad möchte, denn ein müder Dackel verschläft den Schwimmbadbesuch ganz unkompliziert im Auto.

Nach einem langem Marsch auf Nordstrand zurück nach Husum, dort ins Schwimmbad. Absurde Öffnungszeiten (6-8 Uhr und 14-18 Uhr), 25m-Becken, modernisierter 70er-Jahre-Bau, da vermisst man Schweden dann wieder, aber es ist nicht fair, die Schwimmgelegenheiten in einer 20.000-Einwohner-Stadt wie Husum mit den Optionen in Stockholm oder Malmö zu vergleichen, also meckern wir nicht, sondern sind zufrieden, überhaupt im Wasser gewesen zu sein, außerdem hatten wir das Becken fast für uns alleine.

Danach ein Streifzug durch Husum, die „Stadt der kurzen Wege“, wie sie auch genannt wird, was uns nach Gassigehen und Schwimmen sehr entgegenkommt.
Einladende Cafés (sogar zum Verweilen 😉 ) mit leckerem Kuchen, warmes Septemberlicht lässt die Backsteinfassaden noch wärmer erstrahlen, Storm an allen Ecken und Enden: nicht nur seine Wohnhäuser gekennzeichnet, nein, auch das des Großvaters oder der Cousine oder der Patentante.

Trotzdem & nebenbei das innere Fazit: So ein Kleinstadtleben, das ginge gar nicht. Einsames Haus in den Bergen oder an der Küste vielleicht, womöglich auch Dorfleben (zumindest als Wochenendoption), aber eine Kleinstadt, das führte auch bei noch so schönen Fassaden und warmer Septembersonne direktemang in die Beklemmung, wenn nicht gar in die Depression (zumindest wenn man da erst jetzt, also in schon fortgeschrittenem Alter hinzöge).
Eine kleine, leise Vorfreude auf die Heimat blitzt erstmals wieder auf, bislang nicht viel an „daheim“ gedacht, vor lauter Genießen des Unterwegsseins und all der neuen Eindrücke.

Kurz vor der Rückkehr zum Parkplatz noch hier vorbeigekommen:

Der Husumer Zweitwohnsitz von Miss Langstrumpf.

Ein Gefühl wie: Der Kreis schließt sich.
Aber ein paar Runden drehen wir noch. Bleiben Sie also dran!

Vom Alleinreisen. Ein Prolog.

Wie bitte, du verreist schon wieder allein?
Dann hast du ja unterwegs gar niemanden zum Reden und Teilen der Eindrücke!
Oh Gott, du fährst die ganze Strecke allein mit dem Auto?
Und das auch noch ohne Navi, um Himmels Willen!
Was, du hast ein einsames Holzhäuschen gemietet?
Das kann aber doch sehr gefährlich sein!
Und was machst du bloß, wenn du krank wirst oder dem Hund oder dem Auto etwas passiert?

*****

Fragen über Fragen, die einem gestellt werden, wenn man mitteilt, dass man „schon wieder“ allein nach Schweden fährt. Na gut, nicht ganz allein, sondern wie immer mit dem Dackelfräulein an Bord, aber das scheint für die besorgten Frager unerheblich zu sein.

Hier nun die gesammelten Antworten:

1. Ja, ich verreise schon wieder allein. Nein, das bereitet mir keinerlei Ängste. Im Gegenteil. Ich bin gern allein. Das war schon in der Kindheit so. Einsam bin ich allerdings nicht gern, leider war ich das als Kind manchmal, später dann aber nicht mehr.

2. Obwohl ich gern kommuniziere, brauche ich nicht dauernd jemanden zum Reden und ich kann Eindrücke auch gut alleine verarbeiten. Oder ich rufe zuhause an. Oder blogge. Nach ca. 14 Tagen Alleinsein beginne ich erfahrungsgemäß etwas häufiger mit dem Hund zu reden. Das funktioniert erstaunlich gut. Sie wissen ja, vor allem, wenn Sie selbst einen Hund haben: der eigene Hund, der versteht jedes Wort (außer Nein und Pfui). Zudem erspürt er jede Stimmung, manchmal sogar noch bevor man sie selbst wahrnimmt. Was man von Menschen wirklich nicht oft behaupten kann.

3. Aus organisatorischen Gründen (Hund, Zwischenstopps, Flexibilität etc.) muss ich mit dem Auto fahren, und obwohl ich nicht mehr so gern fahre wie früher, stört es mich auch nicht weiter, so lange ich nicht im Stau stehen oder auf einer Autofähre in 15 Sekunden zwischen zwei Säulen in eine engen Lücke rückwärts einparken muss.

4. Bislang bin ich wunderbar ohne ein Navi überall hingekommen, wo ich hinwollte und das wird mir hoffentlich auch weiterhin gelingen. Ich liebe Landkarten und präge mir die Strecken ein, bevor ich losfahre, das trainiert das Hirn und das Orientierungsvermögen. Und für Notfälle wie den einen, den es vor fünf Jahren mal nachts bei Regen in Malmö gab, hat man ja GoogleMaps.

5. In einsamen Holzhäuschen (und auch sonst überall) nehme ich meinen furchtlosen kleinen Löwen mit ins Bett, und falls je ein Schurke daherkäme, würde der in tausend Stücke gerissen werden, so wie auch jede Stubenfliege dran glauben muss, die sich in unser Schlafgemach verirrt. Die Kriminalitätsrate auf Gotland geht zudem gegen Null. Auf dem Land lassen die Menschen nach wie vor ihre Türen unverschlossen, was lediglich Drehbuchautoren zu Morden inspiriert.

6. Mit Krankheiten und anderen Pannen beschäftige ich mich grundsätzlich erst dann, wenn die Situation eintritt. Wir haben 10 Medikamente dabei (7 für mich, 3 für die Hundedame), Pflaster, Pinzette und Zeckenzange (und für größere Operationen eine Stirnlampe, ein Schweizer Taschenmesser und Betaisodona-Tinktur), eine Auslandskrankenversicherungskarte und eine Nummer zur Hotline für die Mobiliätsgarantie unseres Autoherstellers (Instandsetzung binnen vier Stunden, ansonsten Ersatzwagen, so zumindest das Versprechen). Das wird im Falle des Falles schon reichen. Und ansonsten findet sich bestimmt ein netter Schwede mit großem Volvo, der uns und unsere Siebensachen mitnimmt (was ein typisches Intro abgäbe für eine dieser skandinavischen Serien à la „Lund“ oder „Die Brücke“).

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Um das Alleinreisen ranken sich ja zahlreiche Klischees. Eines der beliebtesten ist, dass man das täte, um sich selbst zu finden. Das klingt so, als hätte man sich im Alltag aus Versehen verlegt oder gedankenlos verräumt oder gar völlig verloren. Mag sein, dass manche deshalb allein aufbrechen, um nach sich zu suchen oder sich zu finden oder sich völlig neu zu (er)finden. Auf mich trifft das nicht zu.

Ich reise vor allem deshalb gern allein, weil ich das Einfache und Kompromisslose daran mag. Bei niemandem für eine Unternehmung werben müssen, nur weil ich die unbedingt machen möchte, sich hinsichtlich der Essenszeiten nicht abstimmen müssen, Aufstehen und Aufbrechen, wann man möchte oder spontan alle Pläne wieder ändern und was ganz Anderes machen – oder auch gar nichts. Idiotische Dinge zwischendurch einfach tun können (wie z.B. mitten auf einer Fahrt von A nach B vor dem Landregen in ein Schwimmbad flüchten oder einen ganzen Abend lang im Hotelbett Liebesschnulzen auf DVD angucken), ohne Anfrage, Absprache, Entschuldigung oder das Risiko, jemanden zu verärgern. Und sich auch nicht mit den idiotischen Anwandlungen anderer auseinandersetzen zu müssen.

Leben, Zusammenleben, Arbeit und Alltag funktionieren nur auf Basis von vielen Kompromissen und nahezu täglich muss man fähig sein, diese auch zu schließen. Umso wohltuender ist es, ab und an ein paar Stunden, Tage oder Wochen mal ganz dem eigenen Rhythmus zu folgen und in ungetrübter Selbstbezogenheit ausschließlich nach der eigenen Pfeife zu tanzen.

Mir ist es also beim Alleinreisen nicht darum zu tun, mich zu suchen oder zu finden, weil ich mir abhanden gekommen wäre, sondern ich möchte einfach nur gern etwas Zeit mit mir verbringen. Und zwar mit mir, genau so wie ich eben grad bin – und nicht in einer besseren, zurechtgeurlaubten, sozialkompatiblen und kompromissbereiten Variante meiner selbst, sondern in einer ganz gewöhnlichen Version meiner selbst.

Gelegentlich gerate ich zwar, wenn ich so allein unterwegs bin, in Situationen, die es erfordern, dass ich sozusagen ein wenig an mir herumbasteln muss, mich ausprobieren oder bewähren muss, weil die Szenarien unbekannte sind und Improvisation angesagt ist.

Dieses Ganz-auf-sich-Gestelltsein, das das komplizenlose Unterwegssein zwangsläufig mit sich bringt, ist nicht immer angenehm, gleichwohl ist es lehrreich und spannend. Weil ich mir dadurch noch vertrauter werde und weil mir diese Entdeckungen noch mehr Sicherheit und Auskunft darüber geben können, wer ich bin und was ich kann. Weil ich z.B. feststelle, dass ich gar nicht so ein Morgenmuffel bin wie ich dachte und plötzlich spielend leicht früh aus dem Bett komme, was in skandinavischen Ländern aber auch den grauenhaften Matratzen geschuldet sein könnte. Oder dass ein Tag ohne Kaffee sehr wohl möglich ist, ebenso ein Leben aus dem Koffer oder den Klappkisten und sogar auf engstem Raum. Oder dass ich in der Lage bin, den Dorn auch ganz allein aus der Hundepfote zu entfernen, wenn es denn sein muss. Oder entdecke, wie viele Ideen ich auf einmal habe und wie viel Lust, mir Neues anzusehen und mich einfach durch die Fremde treiben zu lassen. Wie viel Neugier da doch in mir ist, die ich im Alltag oft gar nicht so deutlich bemerke, weil drumherum eben alles so vertraut ist. Und ich freue mich auf Reisen immer wieder darüber, wie wenig ich an manchen Tagen „brauche“ (an Input, Kontakt, Essen, Aktivitäten, Konsum etc.), um abends sagen zu können: Das war ein verdammt toller Tag!

Genauso stelle ich aber fest, wie blöd es ist, wenn man niemanden hat, mit dem man Geplantes oder Erlebtes, Schönes oder Schwieriges ad hoc besprechen und Lustiges oder Trauriges sofort teilen kann. Oder den man anmaulen kann, wenn der Tag überhaupt kein guter war, was eigentlich auf jeder längeren Reise mal der Fall ist. Es ist doof, wenn keiner da ist, dem man die Schuld für die erfolglose Suche nach einem Lokal und den Granatenhunger, der daraus resultiert und einem die Laune dann total versaut, in die Schuhe schieben kann.
Für jedes Missgeschick, jeden Defekt, jede Vergesslichkeit und jeden Hundedurchfall allein die Verantwortung tragen zu müssen, das ist einfach nur unangenehm und manchmal sogar richtig beschissen.

Dennoch war es jedesmal eine gute Erfahrung für mich, allein unterwegs zu sein, es macht mir überwiegend Freude, mich bei Solo-Touren durch fremde Gefilde besser kennenzulernen. Ohne Gesellschaft und permanenten Vertrauenspuffer im Gepäck bzw. auf dem Beifahrersitz funktioniert das tatsächlich besser. Zumindest für eine begrenzte Zeit.

Nach ein paar Wochen will ich dann ja sowieso immer wieder gern nachhause. Weil ich viel zu verwurzelt bin in meiner Heimat und sie und meine Menschen dort viel zu sehr liebe, um sie länger verlassen zu können.

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Ein großer Dank an den Gatten, dass er das alles nicht nur weiß und hinnimmt, sondern es versteht und mich machen lässt.

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