Ein Traum in Orange oder: Abschied und Weiterreise.

Letzte Amtshandlung auf schwedischem Boden: morgens ins Hylliebadet, noch vor dem Schulschwimmen und den Vereinen. Ein Traum – mal wieder eine 50m-Bahn für mich alleine!

Das 2015 eröffnete Hylliebadet im Süden von Malmö.

Durch die verglaste Seitenfront Blick auf den Turning Torso und beeindruckende Wolkenformationen. Ruhe in der Schwimmhalle. Das Wasser so weich, es ist eine Wonne, da hindurchzugleiten.

Und überhaupt: Das gesamte Bad sehr gepflegt und farbenfroh. Architektur, Farben, Design – das können sie, die Schweden. In der Hinsicht ist wirklich sehr vieles eine pure Augenweide in diesem Land.

Im Hylliebadet der Stadt Malmö dominieren die Komplementärfarben Orange und Türkis. Zufällig füge ich mich in diese Farbgebung mit meinem Duschtuch ebenso perfekt wie unauffällig ein.

Touristin, gut getarnt.

Eine Besonderheit in schwedischen Schwimmbädern, die jetzt zwar die Wenigsten von Ihnen interessieren wird (aber ich erzähl’s Ihnen trotzdem, weil ich persönlich es einfach spitze finde): der Eintrittspreis inkludiert immer auch den Bastu-Besuch.

Bastu, das bedeutet Sauna. Und die Sauna gehört zu Schweden dazu wie Knäckebrot und Kanelbullar. Man zelebriert das nicht als dreistündige Sonderveranstaltung, sondern man geht da durchaus mal nur en passant auf einen Schwitzgang hinein.

In den Schwimmbädern (selbst im noch so popligsten kleinen Bad auf dem Land) befindet sich zwischen den Umkleiden und der Dusche die Bastu, genau dort also, wo sie hingehört. Kommt man aus der Schwimmhalle, duscht man sich ab, setzt sich auf ein Viertelstündchen in die Sauna, duscht sich nochmal kurz kalt ab und verschwindet in die Umkleide.

Anschließend zum Hotel am Västra Hamnen zurückgedüst, dort den Gatten und das Dackelfräulein und unsere Siebensachen eingeladen – und ab über den Öresund und den Großen Belt und all die Landesgrenzen.

Diesmal die Überquerung ohne Tränen geschafft…

…aber ein Erlebnis wird’s immer bleiben, diese Brücke.

Bei einer Rast im dänischen Odense (Tipp: Café Velodrom in einem schnuckligen alten Bahnhofshäuschen, Park für den Gang mit dem Hund direkt daneben) den Einkaufszettel für den Supermarkt in Husum geschrieben…

Café Velodrom im Süden von Odense.

Das alte Bahnhofshäuschen.

…das eh schon volle Auto dort noch voller geladen und um 19:30 Uhr sitzt man bei Spirelli pomodore & verdura bereits am vom friesischen Ortsschreiner gezimmerten Esstisch in der Ferienwohnung auf der Halbinsel Eiderstedt und schnauft nach dem langen Tag und der weiten Fahrt erstmal durch.

Auch heute steht in erster Linie Durchschnaufen an, Sie werden sich also ein klein wenig gedulden müssen, bis das erste nordfriesische Bildmaterial eintrifft.

Nur so viel: vor der Terrassentür saftiges Deichland, vor dem Zaun blökende Schafe und im Garten ein riesiges Kaninchen.
Sie können sich in etwa vorstellen, was das fürs Dackelfräulein bedeutet.

She’s a lady.

Vamlingbo.

Gartencenter auf Gotländisch. Direkt daneben ein Museum und ein Café. Kleine, paradiesische Fika-Oase auf dem langen Weg – mit zahlreichen Zwischenstopps (beruflich bedingt) – in den Inselsüden.

Für mich gibt es eine Portion Rhabarberkuchen in der Sonne und für das Fräulein eine Portion Freilauf auf dem Gelände. Ja, das darf man da.

Nach einem Viertelstündchen kommt sie mit zwei Schweden im Schlepptau zurück. Pippa, Pippa!

Anschließend weiter nach Hoburgen. Über Öja, Fide – diese Kirchen! -, Klintehamn und Kovik – diese Häfen! – schließlich nach Warfsholm.

Abendessen mit Meerblick und Dackel unterm Tisch. Das sehr schön dezent im Hintergrund säuselnde „I’m on fire“ wird rüde abgewürgt von diesem Jammerlappen Chris Isaak (da bleibt einem ja fast die Kartoffel im Hals stecken!), danach flutscht es wieder mit „Purple rain“ – insgesamt kann ich Ihnen dieses Lokal also empfehlen. Ein wunderbarer Wehmutsort zur Sonnenuntergangsstunde, nicht überteuert, ein tolles altes Gebäude, das wir sogar besichtigen dürfen („I’m doin‘ a presstrip“, höhö).

Jetzt, wo wir’s raus hätten, wie wir am besten über die Insel juckeln und wo wir willkommen sind, neigt sich die Zeit hier auch schon ihrem Ende entgegen.

Ach ja.

(Nix wie zurück nach Visby, soeben dudelt die englische Version von „Ein Bett im Kornfeld“ durch den Raum.)

Tramps like us…

…, baby, we were born to bun!

Und zwar to cinnamon-bun.
Eine fettig-zuckrige Köstlichkeit, diese Kanelbullar, wirklich. Mit Füllung oder ohne, immer lecker.

Seelenbaumeln & Kalorientaumeln.

Aber wir verdienen uns das hier fei auch redlich! Strandlauf heute Morgen bei noch bedecktem Himmel, mittags dann bei Sonnenschein ab Haus zu Fuß los…

…und – dank des spitzenmäßigen Kommentars von der lieben Sori aus Wien neulich in diesem Blog – bis Brucebo marschiert (@Sori: dank dir nochmal!).

Ich meine, da hat die Sori natürlich völlig recht: Wenn man schon einen Steinwurf von irgendetwas, das nach Bruce klingt, egal mit welcher Zweitsilbe hinten dran, entfernt ist, dann muss man da auch hin.

Zwei Stunden bis zum Naturreservat Brucebo, dann noch ein Stück weiter bis zum Brucebo-Museum und Richtung Lummelunda – und auf dem Rückweg schließlich in Själsö (zu deutsch: Seeleninsel) eingekehrt, in eine nette Bageri mit Meerblick und Bergen von Zuckerzeug (aber auch gutem Brot, was eine Seltenheit ist in diesem Land).

Die knallen dann ganz schön rein, diese buns, und die Lauferei zuvor auch, und da das heut ein gänzlich spontaner Tag war – ohne Plan, Ziel und Kamera, einfach mal aufgebrochen – guckt man dann in Själsö sitzend in GoogleMaps nach, wie man eigentlich zurückgelangt zu seinem Holzhüttchen, konkret: ob es da vielleicht einen Bus gibt. Den gibt es durchaus, aber nur wochentags und nur vom Nachbarkaff aus. Na, dann eben nicht.

Stattdessen wie in guten alten Jugendzeiten, als man die Sommerferien in Lenggries verbrachte, noch keinen Führerschein hatte und trotzdem abends nach Tölz in den Turmkeller wollte, an die Straße gestellt und den Daumen rausgehalten. Das Fräulein blickt ganz unaufgefordert unglücklich drein, an Straßen steht sie naturgemäß ungern herum, erst recht nicht in der prallen Sonne. Das sieht mitleiderregend aus und könnte unsere Chancen auf baldigen Transport deutlich erhöhen, sofern nicht auch alle autofahrenden Schweden an Hundephobien oder -allergien leiden (was schwedische Hoteliers und Restaurantbesitzer ja durch die Bank tun).

Das dritte Auto hält an. Ein Volvo, was sonst. Lackfarbe nicht mehr erkennbar, da völlig eingestaubt und verdreckt, na logo. Muss also ein Einheimischer sein.
Netter Typ um die 40 am Steuer, zwölfährige Tochter auf dem Beifahrersitz. Sie stellen sich als Kristoffer und Astrid vor und sehen eigentlich nicht aus wie die Gestalten aus den schwedischen Mörderfilmen.
Also steigen wir hinten ein. Wo man hin will, braucht an der Stelle nicht gesagt oder gefragt werden, da diese Straße nur nach Visby führt.
Im Auto dann eine nette Unterhaltung: Astrid ist brennend am Fräulein interessiert und Kristoffer an meiner Reise und Unterkunft.

Denn er vermietet ab nächsten Sommer auch eine Stuga. Aha.
But what about Pippa? No problem!
Kleine Stuga bei Lummelunda, with ocean-view und mitten in der Natur gelegen.
Nun, man weiß ja nie – deshalb die Nummer mal mitgenommen. Visbys Österport ist schnell erreicht, dort lässt man uns raus und wir laufen die letzten zehn Minuten auf der Pippi-Langstrumpf-Strecke heimwärts.

Übrigens, was ich Ihnen schon seit Tagen erzählen will, wenn nicht ständig so viel anderes dazwischen käme…
Kristoffer gehörte zu dem knappen Dutzend Schweden, denen ich mit Pippa begegnete und denen ein kurzes Grinsen übers Gesicht huschte, als ich, nach dem Namen meines Hundes befragt, brav den Namen meines Hundes zum Besten gab.
Gottseidank hat mich Wenche, meine nette Reiseleiterin in den ersten Tagen hier auf Gotland, gleich am Montag darüber aufgeklärt, was Pippa auf Schwedisch bedeutet. Nämlich ungefähr sowas wie Poppen oder Schnackseln, wie unsere österreichischen Nachbarn zu sagen pflegen.

Wenche meinte, es wäre vielleicht nicht ganz ideal, wenn ich abends allein mit dem Dackelfräulein an der Strandpromenade spazieren ginge und sie lautstark bei ihrem Namen zu mir herriefe (oder ich solle mich andernfalls eben nicht wundern, falls ein paar Passanten überrascht gucken würden).
Kein Problem, ich vermeide das seither. Was nicht allzu schwer fällt, denn wir nennen sie eh häufig Mäuschen. So heißen inoffiziell ja sowieso die meisten Hunde – und hören auch drauf (mäuschen-rufend gucken einen halt in Deutschland manchmal mehrere Hunde an, in Schweden natürlich nicht).
Zwischenzeitlich habe ich mir für Situationen wie die heutige mit Kristoffer, sofern es doch mal zur konkreten Namensnennung des Fräuleins kommt, bereits mein Sprüchlein zurechtgelegt.

Ein ganz wunderbarer Tag.
Vor allem mal ohne dieses ständige Rumfotografierenmüssen, was ja seit dem Verlust der Schutzkappe des Objektivs gleich noch anstrengender geworden ist.

Zur Not tun’s auch mal die Schnappschüsse vom Smartphone, sogar für Reportagen.

Oh, just one kiss from you, my brother (and we’ll ride until we fall)

See the lights surrounding you.

Nach dem Frühstück unsere Siebensachen zusammengepackt. Um 9:30 Uhr Abreise aus Gåsemora. Weiter zum Bergman-Center, zum Bergman-Grab, zur zweiten großen Raukar-Stelle an der Westküste und zu einer Schiffssetzung.

Dazu in Wort und Bild evtl. später, denn danach landete ich an einem Ort, der so manch alten Kalkstein mit nur einem einzigen Takt in den Schatten stellte.

Ich hatte nämlich einen Mordshunger. Das Frühstück war spartanisch, das Beladen des Autos, das Gelaufe an der windigen Küste und das Fotografieren hatten mich doch ziemlich ausgelaugt.

Dann sah ich einen Wegweiser: „Crêperie Tati“. Und bog ab. Parkte neben einer Herde schwarzer Gotlandschafe, ging über ein völig verkruschteltes Gelände und suchte den Eingang zu dem Café.

Fand ihn schließlich. Öffnete die Tür und mir schallte die Zeile „…may you build a ladder to the stars…“ entgegen. Und sofort wusste ich: hier sind wir richtig. Denn ich liebe diesen Song!

Und ich liebte dann auch alles, was ich in den nächsten anderthalb Stunden sah, hörte, verzehrte und inhalierte: die gesamte Einrichtung der Kneipe, den kleinen Altar für den King of Rock’n’Roll, die James-Dean-Gedenk-Ecke (der Kalender und die Wanduhr: zu seinem Todeszeitpunkt stehengeblieben), die alte Jukebox, die kräftigen Farben, die köstlichen Crêpes mit Spinat und Feta, die pappsüße Schweden-Limo, den viel zu starken Kaffee, den gemütlichen Platz in der Sonne, die erstaunliche Hundefreundlichkeit – und jeden gottverdammten Ton, der während dieser Zeit aus den Lautsprechern bis weit auf die ans Café angrenzende Schafweide hinauswehte!

Leichter Dylan-Schwerpunkt, aber schon in Ordnung, und beim Bestellen des Crêpes konnte man, weil nicht viele Gäste da waren, sogar einen eigenen Musikwunsch äußern, der meine passte gut ins Programm und wurde erfüllt.

Der Lokalbesitzer ein Altachtundsechziger, ein schräger Vogel, ein Musikfreak und Künstler. Ich fragte ihn aus, wie er auf die Idee kam, hier auf Fårö einen derart ausgefallenen, grandiosen Ort zu schaffen – und die Antwort war kurz und knapp: I tried to realize a dream.

Wer war nochmal Ingmar Bergman? Und was hatte es doch gleich mit diesen Raukar auf sich? Wann muss ich zur Fähre, die mich zurück nach Gotland bringt?

Wurscht!
May your heart always be joyful
May your song always be sung
And may you stay
Forever young!

https://youtu.be/NuYqL-uzMes
May God bless and keep you always
May your wishes all come true
May you always do for others
And let others do for you

May you build a ladder to the stars
And climb on every rung
May you stay
Forever young

Forever young
Forever young
May you stay
Forever young

May you grow up to be righteous
May you grow up to be true
May you always know the truth
And see the lights surrounding you

May you always be courageous
Stand upright and be strong
And may you stay
Forever young

Forever young
Forever young
May you stay
Forever young

May your hands always be busy
May your feet always be swift
May you have a strong foundation
When the winds of changes shift

May your heart always be joyful
May your song always be sung
And may you stay
Forever young

Forever young
Forever young
May you stay
Forever young

Svenska smak.

Man hatte mir mit Nachdruck aufgetragen, dieses gotländische Nationalgericht zu probieren:

Unter Saffranspannkaka hatte ich mir was Dünneres/Flacheres/Größeres vorgestellt.

Salmbärssylt & Grädde, also Kratzbeermarmelade & Sahne, die entsprachen hingegen meiner Vorstellung.

Nur nicht in dem absurden Mengenverhältnis im Vergleich zu dem Saffranspannkaka. Erst recht nicht mehr, nachdem ich gegoogelt hatte, aus was dieser angebliche Pfannkuchen besteht.

Himmel!

Die neu gewonnenene Erkenntnis sofort mit einem großen Glas Hallon Soda runtergespült, das ist eine pappsüße Himbeerlimo.

Damit ist nun alles gut verklebt bis zum Abendessen und bis dahin wird sich ausgiebig bewegt.